Berliner Wirtschaft 9/2019

Kurz vor der Sommerpause hat die Bundesregierung die Gesetzentwürfe zur Grundsteuerreform auf den Weg gebracht von Christopher Gócza Mehraufwand befürchtet N otwendig wurde die Reform der Grund- steuer, nachdem das Bundesverfas- sungsgericht im Frühjahr 2018 entschieden hatte, dass die bisher als Bemessungsgrundlage dienende Einheitsbewertung von Grundvermögen verfas- sungswidrig ist. Nun drängt die Zeit: Denn obwohl das Gericht dem Gesetzgeber einen fünfjährigen Übergangs- zeitraum gewährt hat, muss die gesetzliche Neuregelung bis zum 31. Dezember 2019 verabschiedet sein. Lange wurde im Vorfeld darü- ber verhandelt, ob sich die Berech- nung der neuen Grundstückswerte in Zukunft nach einem wertabhän- gigen oder einemwertunabhängigen Modell ermitteln soll. Die IHK-Or- ganisationen haben sich dabei stets für das einfache wertunabhängige Flächenmo- dell ausgesprochen. ImErgebnis hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt, der beide Berech- nungsmodelle zulässt. Grundsätzlich gilt für dieWertermittlung von Grundstücken zwar wie bisher ein wertabhän- giges Modell. Gleichzeitig soll es Bundesländern jetzt aber auch möglich sein, ein eigenes – auch wertunabhängiges – Grundsteuermodell einzu- führen (sog. „Öffnungsklausel“). An dem grund- sätzlichen Konzept der Grundsteuererhebung soll festgehalten werden. Die Grundsteuer soll auch zukünftig in drei Schritten berechnet werden: Grundstückswert x Steuermesszahl x kommu- naler Hebesatz. Bei der Ermittlung des Grund- stückswertes sollen auch weiterhin das Ertrags- und Sachwertverfahren die grundsätzlichen Bewertungs- verfahren bleiben. Dafür soll aber deren Ermittlung grund- legend überarbeitet werden. Es ist das erklärte Ziel, eine Rege- lung zu finden, die im Ein- klang mit dem Grundge- setz steht, gleichzeitig aber das Grundsteueraufkommen nicht erhöht. Auch Finanzse- nator Matthias Kollatz hat wie- derholt betont, dass die Reform der Grundsteuer in Berlin auf- kommensneutral ausgestaltet werden soll. Doch selbst wenn die Reform nicht zu einer Erhöhung des Gesamtaufkommens an Grund- steuer führen sollte, wird es Gewinner und Verlierer geben. Eine Umfrage in Berlin hat gezeigt, dass sich Unternehmen in der Stadt insbesondere um den bürokratischen Mehraufwand sorgen. Zudem hoffen viele Unternehmen in Berlin, dass die Umlagefähigkeit der Grundsteuer erhalten bleibt, andernfalls würde man Investitionen in den Wohnungsneubau weiter einschränken. Klar ist, dass Berlin seinen Hebesatz senken muss. Die- ser soll von aktuell 810 Prozent auf einen Wert zwischen 600 und 700 Prozent reduziert werden. Unklar ist bisher noch, welche weiterenMaßnah- men Berlin ergreifen wird, um zusätzliche Belas- tungen von Unternehmen abzuwenden. Um die offenen Fragen zu klären und Belastungen von der Wirtschaft abzuwenden, steht die IHK Ber- lin im Dialog mit dem Finanzsenator. ■ 810% beträgt der Hebesatz in Berlin aktuell – er soll auf einen Wert zwischen 600 und 700 Prozent reduziert werden. Die Grundsteuer­ reform soll jetzt unter Dach und Fach gebracht werden – aufkommensneutral FOTO: GETTY IMAGES/SAEMI LEE 11 BERLINER WIRTSCHAFT 09 | 2019 AGENDA | Grundsteuer

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