Berliner Wirtschaft 7 + 8 / 2020

Abbau in Touristik und Gastronomie Vierte Corona-Umfrage der IHK zeigt in der Personalplanung große Branchenunterschiede. Angaben in Prozent D er Arbeitsmarkt im Juni, in dem sonst Arbeitslosigkeit zurückgeht, ist beson- ders in Berlin weiter unter Druck“, resü- miert Bernd Becking, Geschäftsführer der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bun- desagentur für Arbeit. Diesen Juni waren es im Vergleich zumVorjahr 56.765 arbeitslose Erwerbs- fähige mehr. Liegt der Corona-Effekt der Arbeits- losenquote im Bundesdurchschnitt bei knapp über 1,5 Prozentpunkten, ist er in der Hauptstadt mit 2,8 Prozentpunkten nahezu doppelt so hoch. Grund dafür ist unter anderem der Einbruch im Tourismus- und Messewesen. Derzeit sorgen die Arbeitsmarktinstrumente laut Becking dafür, dass ein noch stärkerer Effekt abgefedert wird: „Kurz- arbeit, der umdrei Monate verlängerte Bezug von Arbeitslosengeld und der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung haben bislang Schlimmeres ver- hindert.“ Allerdings belegt die letzte IHK-Coro- na-Umfrage, dass 22 Prozent der Unternehmen befürchten, in den nächsten Monaten insolvent zu gehen und dass jeder dritte Betrieb zeitnahmit Entlassungen rechnet (s. auch S. 10/11). Unterschied zur Finanzkrise 2008/2009 Ein Grund für die schweren Wirtschaftsfolgen ist, dass sich die Corona-Krise nicht nur auf das Angebot, sondern auch auf die Nachfrage aus- wirkt. Im Gegensatz zu 2008/09 hatte die welt- weite Gesundheitskrise ein abruptes Runterfah- ren der Wirtschaft zur Folge, sodass einige Berufs- zweige keinerlei Einnahmenmehr erwirtschaften konnten. In Sektorenwie der Veranstaltungsbran- che bestehen diese schwerwiegenden Einschrän- kungen weiterhin. Deutlich wird, dass die Situa- tion stark von der Branche abhängt: Ein Großteil derer, die arbeitslos geworden sind, kommt aus dem Gastgewerbe – das mit einer Zunahme von 105 Prozent den größten Arbeitslosenzuwachs zwischen April und Juni imVergleich zu 2019 ver- zeichnete. Auch im Handel, in Teilen des Dienst- leistungssektors wie etwa Reisebüros, im verar- beitenden Gewerbe und bei der Leiharbeit – oft Frühindikator für die Arbeitsmarktentwicklung – meldeten Unternehmen einen starken Anstieg coronabedingter Arbeitslosigkeit. Dazu erreicht die Kurzarbeit ein nie da gewe- senes Rekordhoch. Hier zeigt der Vergleich zu Februar 2009, dem damaligen Rekordmonat der Kurzarbeit, dass Corona die Berliner Wirtschaft besonders hart trifft: So gab es im Februar 2009 deutschlandweit knapp 19.700 Kurzarbeitsan- zeigen für rund 720.000 Beschäftigte. Im Ver- gleich dazu haben von April bis Juni 2020 allein in Berlin über 38.000 Betriebe Kurzarbeit für über 400.000 Beschäftigte angezeigt. Da die Kaufkraft der Beschäftigten dadurch geringer ist, schwächt dies ebenfalls die Nachfrage. Aktuelle Zahlen zu Neueinstellungen und gemel- deten offenen Stellen zeigen in Berlin sowie auch bundesweit, dass der Arbeitsmarkt stärker inMit- leidenschaft gezogen wird, als dies 2008/2009 der Fall war. Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) warnen daher vor Risiken einer anhaltenden Neueinstellungskrise in Deutschland. Die Zahlen für Berlin alarmie- ren: So wurden von April bis Juni über 50 Pro- zent weniger neue Arbeitsstellen gemeldet als im selben Zeitraum 2019, dazu kommen 30 Prozent weniger Abgänge in Jobs am ersten Arbeitsmarkt und über 40 Prozent mehr Zugänge in die Arbeits- losigkeit. Neben der schwierigen Finanzlage trägt die Unsicherheit über eine mögliche zweite Infek- tionswelle dazu bei, dass Betriebe bei Neueinstel- lungen zurückhaltend agieren. Grafik: BW Quelle: IHK Berlin » 2,8 Prozentpunkte macht der Corona-Effekt in Berlin aus. Bundesweit liegt die Abeitslosenquote durch die Pandemie um 1,5 Prozentpunkte höher. Bernd Becking Arbeitsagentur Regionaldirektion Berlin-Brandenburg Kurzarbeit, der verlängerte Bezug von Arbeitslosengeld und der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung haben bislang Schlimmeres verhindert. Wir müssen Personal abbauen Wir stellen zusätzlich Personal ein Gleichbleibend Unternehmensbezogene Dienstleistungen Reisewirtschaft Personenbezog. Dienstleistungen industrielle Gesundheitswirtschaft Industrie Großhandel Gesamt Gastgewerbe Einzelhandel Dienstleistungsorientierte Gesundheitswirtschaft Verkehr und Lagerei Baugewerbe 9,1 1,9 6,2 14,3 9,8 7,1 7,7 7,5 4,3 7,8 16,1 59,8 47,2 61,7 57,1 68,3 78,6 57,8 33,3 74,5 70,6 71,0 31,1 50,9 32,1 28,6 22,0 14,3 32,5 59,1 21,3 21,6 12,9 100,0 Berliner Betriebe haben von April bis Juni Kurzarbeit für über 400.000 Beschäftigte angezeigt. 38000 43 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 07-08 | 2020 FACHKRÄFTE | Arbeitsmarkt

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