Berliner Wirtschaft 7 + 8 / 2020

Kein digitales Rathaus für Berlin in Sicht Die Bilanz zur Digitalisierung der Hauptstadt-Verwaltung fällt verheerend aus. Ein Gespräch mit der zuständigen Staatssekretärin gibt ebenfalls wenig Anlass zu Optimismus D ie Ausschreibung der E-Akte ist ge- scheitert. Im Homeoffice fällt die Aktivität der Berliner Verwaltung nahezu auf null. Die Kfz-Zulassungs- stelle arbeitet fast wieder auf dem Negativ- Rekord-Niveau von vor ein paar Jahren. Ein perfekter Zeitpunkt, um sich im Stadtge- spräch des Kompetenzteams Mittelstand mit der zuständigen Staatssekretärin über den Stand der Umsetzung des Berliner E-Govern- ment-Gesetzes und des Online-Zugangsgeset- zes des Bundes zu unterhalten. Ressortchefin Sabine Smentek bemüht gern den Vergleich der Berliner Verwaltung mit einem großenMischkonzern aus der Wirtschaft, in dem strukturelle Verän- derungen eben ihre Zeit brauchen. Der Vergleich hinkt, denn mit den funk- tionierenden Durchgriffsrechten eines Vorstandsvorsitzenden wäre das ein Projekt von höchster Pri- orität, weil es um die Überlebens- fähigkeit des Unternehmens geht. Dabei war genau das Durchgriffs- recht der IT-Staatssekretärin zentraler Bestandteil des E-Go- vernment-Gesetzes von 2016. Für die geplante Evaluation des Gesetzes bleiben nur zwei Schlüsse: Die Digitalisierung der Berliner Verwal- tung braucht eben Zeit, oder der Ressortver- antwortlichen fehlen wirklich zusätzliche Organisations- und Personalkompetenzen, wie es der oppositionelle Digitalexperte der FDP, Bernd Schlömer, formulierte. Der kommunale IT-Dienstleister ITDZ arbei- tet mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmers- dorf als Pilot für die vollständige Migration der Infrastruktur zusammen. Doch auch der Pilot kann die juristischen und formalen Zwänge der Berliner Verwaltung nicht wegzaubern. So rechnet der Bezirk erst Ende 2021 mit dem Abschluss des Projektes – gut fünf Jahre nach dem Beschluss des Gesetzes. Dass andere Bezirke erst die Ergebnisse abwarten, ehe sie selbst starten, löst Befremden aus. Ähnliches Bild beim Service-Konto Berlin: Die in Prü- fung befindliche bundesweite Verwendung des bekannten Elster-ID-Zugangsverfahrens muss nun dafür herhalten, dass Berlin seine ohne- hin schwachen Aktivitäten auf diesem Gebiet vorerst nahezu einstellt. Dreieinhalb Jahre nach dem Start ist kein Nutzen für dieWirtschaft in Sicht. Frau Smen- tek zieht einen weiteren Vergleich: Die Digita- lisierung der Berliner Verwaltung ist wie ein Auto, bei dem während der Fahrt die Reifen gewechselt werden. Man könne ein Bürgeramt doch nicht einfach für eine Woche zumachen. Corona beweist das Gegenteil! Nach vorn geschaut: Wäre es nicht ein guter Weg, mithilfe von innovativen Unterneh- menspartnern parallel zu bestehenden Struk- turen ein digitales Rathaus für Berlin zu bauen und auszurollen? Antwort der Ressortverant- wortlichen: „Das geht in Berlin nicht. Wir wer- den das bezirksweise machen!“ Nehmen Sie gern Kontakt zumKompetenzteam auf, wenn Sie uns dabei helfen wollen, diese Aussage zu widerlegen.  ■ FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/kompetenzteam Sebastian Stietzel ist Vorsitzender des IHK-Kompetenz­ teams Mittelstand und Mitglied der Geschäftsleitung der The Social Chain AG AGENDA | Mittelstandskolumne

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