Berliner Wirtschaft 6/2019

Die Schwierigkeit in Deutschland liegt darin, dass die Ausgabe von Firmenanteilen an einen Arbeit- nehmer bereits zum Zeitpunkt der Einräumung ein Steuerereignis darstellt (Sachlohn). Konkret heißt das: Im Januar 2019 erhält ein Mitarbei- ter ein Prozent an einer Gesellschaft zu nomi- nal einem Euro pro Anteil, um ihn am weite- ren Wertzuwachs zu beteiligen. In diesem Fall wird ein Steuerprüfer diesen Vorgang als Ein- räumung eines sogenannten geldwerten Vor- teils in Höhe von einem Prozent heranziehen. Mit einer Drittbewertung der Wagniskapitalge- ber von beispielsweise zwölf Mio. Euro sind das 120.000 Euro. Diese 120.000 Euro sind dann als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zu versteuern, was je nach Steuersatz vereinfacht einer Last von 60.000 Euro entsprechen kann. Aus einem gut gemeinten Motivationspaket wird so schnell eine bittere Pille, denn die 60.000 Euro sind zeitnah zu zahlen, obwohl die zu versteuernde Summe erst beim Exit fließen kann. Wann eine frühe Versteuerung von Vorteil ist Sollten allerdings der Unternehmenswert und damit auch der Wert der Anteile weiter steigen, stellt der Verkaufserlös bei einemExit imRegelfall keinen Arbeitslohn mehr dar, sondern unterliegt den steuerlichen Regeln, die anfallen, wenn man Anteile an Kapitalgesellschaften verkauft. Die zusätzlichen Wertsteigerungen sind daher spä- ter nur mit einem Steuersatz von rund 27 Prozent zu versteuern und nicht wie beimArbeitslohnmit bis zu rund 50 Prozent. Es kann also durchaus von Vorteil sein, das sogenannte Steuerereignis her- beizuführen und die Steuern zu zahlen. Oft aber soll bei Beteiligungs-Program- men jede Liquiditätsbelastung zum Zeitpunkt der Einräumung vermieden werden. Das kann dadurch erreicht werden, dass dem Arbeitneh- mer zunächst nur eine Option auf den Erwerb von Anteilen eingeräumt wird. ImRegelfall führt erst die Ausübung der Option – meist der Exit – zur Entstehung des geldwerten Vorteils (in Höhe der Differenz zwischen dem vorher fest- gelegten Ausübungspreis und dem höheren Ver- kehrswert der Anteile). Somit wird die Versteu- erung in die Zukunft verschoben. Tatsächlich gehört dieser Ansatz zu den gängigen Modellen bei der Beteiligung. Diese Variante hat aber auch einen erheblichen Nachteil: Bei steigenden Wer- ten ergibt diese spätere Besteuerung regelmäßig eine höhere Steuerbelastung – im Vergleich zur sofortigen Anteilseinräumung. Ähnliches gilt für die Einräumung von Ansprü- chen auf eine Erlösbeteiligung, die sich an einem Exit-Erlös orientiert. Auch in diesem Fall kommt es erst bei Auszahlung zur Versteuerung des geld- werten Vorteils als Arbeitslohn, und zwar in Höhe des konkret ausgezahlten Betrags. Allgemein gilt, dass das Programm stets mit Experten-Rat auf- zusetzen ist, da eine unbeabsichtigte Anfangs- besteuerung die Beteiligten wirtschaftlich emp- findlich treffen kann. Die Lektüre dieses Artikels ersetzt also nicht den Steuerberater. Virtual Employee Stock Ownership Plans Weiterhin wird in aller Regel davon abgesehen, mit „echten“ Firmenanteilen zu arbeiten. Darun- ter versteht man richtige, imHandelsregister ein- getragene Anteile am Stammkapital der Gesell- schaft. Dies hat mehrere, vor allem logistische Gründe. Zum einen müssen auch die Optionen zum Erwerb von Anteilen gemäß dem GmbH- Gesetz notariell beglaubigt werden, da sie sonst ungültig sind. Weiterhin müssten „echte Betei- ligte“ bei allen Vorgängen wie Gesellschafterbe- schlüssen teilnehmen, was den Aufwand deut- lich erhöht, ganz abgesehen davon, dass es nicht in jedem Fall gewünscht ist, allen Mitarbeitern die vollen Informationsrechte eines Gesellschaf- ters einzuräumen. Die Struktur ist daher eine virtuelle Betei- ligung. Diese wird rein schuldrechtlich reali- siert. In den Finanzierungsvereinbarungen mit den Investoren (Shareholder Agreement) gibt es dazu ergänzende Bedingungen sowie eine Zutei- lungsvereinbarung für die einzelnen Mitarbei- ter. Juristen sprechen dann gerne von Phantom Shares, Virtual Stock Options oder Stock Appre- ciation Rights. Gemeint ist immer, dass die ech- ten Gesellschafter vereinbaren, einen gewissen Anteil von ihren Exit-Erlösen in einen virtuellen Topf zu werfen, an demwiederumdie beteiligten Mitarbeiter aus den Programmen partizipieren. Die meisten Start-ups beteiligen ihre Mitarbeiter Was die tatsächliche Praxis angeht, hat eine Stichprobe bei 50 deutschen Start-ups ein deut- liches Bild ergeben: Fast drei Viertel der Unter- nehmen haben ein Mitarbeiterbeteiligungs-Pro- gramm installiert, in das in 80 Prozent der Fälle alle Gesellschafter anteilig einzahlen. Im Ver- gleich zum Silicon Valley fällt jedoch auf, dass der durchschnittliche Umfang der Programmemit 5,8 Prozent vomStammkapital noch gering erscheint. In den USA sind 20 Prozent nicht unüblich.   ■ Nikolas Samios Der Autor leitet die Cooperativa Venture Group und ist Managing Partner des neuen Fonds PropTech1. Er war früher CIO der German Startups Group und an Deals wie Delivery Hero, Scalable Capital, Mister Spex und Rebuy beteiligt. Samios hat ein Buch unter dem Titel „Dealterms.vc“ über Start-up-Finan- zierungen geschrieben. Anne Kahnt, IHK-Finanzierungs- beraterin Start-ups Tel.: 030 / 315 10-310 anne.kahnt@berlin.ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die ungekürzte Version des Textes unter: gruenderszene.de FOTOS: GETTY IMAGES/CHAD BAKER, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 61 BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2019 SERVICE | Gründerszene

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