Berliner Wirtschaft 5/2019
Sie sehen also nicht Firmen, sondern andere Behör- den als IhreWettbewerber auf demArbeitsmarkt an? Ja. Eine Ausnahme sind die knappen IT- und Bau- planungsexpertinnen und -Experten. Aber selbst da haben viele eine klare Präferenz für den öffentli- chen Dienst. Wie wollen Sie attraktiver für Mitarbeiter werden? Dazu gehört zunächst, dass wir die Arbeitswelt von morgen verstehen. Die Menschen wollen heute fle- xibler arbeiten und ihren Beruf an die jeweilige Lebenslage anpassen können. Sie wollen auchmobil und in einer modernen Umgebung arbeiten. Eiche hellbraun in einemmit Gummibäumen geschmück- ten Zimmer ist nicht das, was heute junge Menschen wünschen. Ich habe ein sehr schönes Beispiel im eigenen Team: Das Referat, das zentral die Verwal- tungsmodernisierung vorantreibt, hat sich entschie- den, zu viert in einemRaum zu arbeiten. Das kommt einem Coworking-Space schon sehr nahe. Unternehmer sehen den Standort Berlin als ein großes Plus im Werben um Talente aus anderen deutschen Städten an. Sehen Sie das auch so? Ja, und ich gehe noch einen Schritt weiter: Wir sind auch total interes- sant für Menschen, die aus ande- ren Ländern dieser Welt kommen. Es ist natürlich total spannend, wenn diese bunte Stadt Berlin auch eine bunte öffentliche Ver- waltung bekommt. Auf der ande- ren Seite ist es aber auch so, dass Berlin mit den anziehendenWoh- nungsbaupreisen in den Segmen- ten mit geringerer Bezahlung all- mählich zur Hürde wird. Wer nach Nauen ziehen muss, um in Berlin zu arbeiten, der überlegt sich, ob er nicht in einer anderen Stadt, in der die Wege kürzer sind, besser aufgehoben ist. Sie wollen also auch Mitarbeiter aus dem Ausland anwerben? Selbstverständlich. Wir haben in unseren Teams Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien. Wichtig ist, dass sich Bewerber die für uns wesentliche Sprache ange- eignet haben, wobei wir an Lehrer in dieser Hinsicht andere Anforde- rungen stellen müssen als an Menschen, die für uns wichtige planerische Aufgaben erledigen. Tatsäch- lich sollte unser Personalkörper auch die Vielfalt der Stadt widerspiegeln. Nur unter diesen Voraussetzun- gen können wir angemessen reagieren auf das, was in unserer Stadt passiert. Es reicht aber nicht, den Status quo zu erhalten. Müssen Sie nicht auch für die wachsende Stadt Ber- lin planen? Ja, jeder Mensch, der mehr in dieser Stadt lebt, hat Anspruch auf gute Dienstleistungen unserer Verwal- tung. Viel mehr beschäftigt mich aber die sich ver- ändernde Stadt. Die Menschen haben zunehmend eine ganz andere Erwartungshaltung gegenüber der öffentlichen Verwaltung – zumBeispiel, weil sie mit Smartphones aufgewachsen sind. Einen Verwal- tungsprozess wollen sie so einfachwie die Bestellung von Turnschuhen im Internet haben. Dafür brau- che ich ganz andere Strukturen und Prozesse. Diese Herausforderung ist viel größer als die, die durch 30.000 oder 40.000 Menschen mehr pro Jahr in der Stadt resultiert. ■ Dr. Daniel Hönow IHK-Experte für Verwaltungs- modernisierung Tel.: 030 / 315 10-253 daniel.hoenow@ berlin.ihk.de Frank Nägele Staatssekretär Der Diplom-Ver- waltungswissen- schaftler war von Juni 2012 bis Juni 2017 Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Tech- nologie des Landes Schleswig-Hol- stein. Von Juni 2017 bis Novem- ber 2017 war er Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Nieder- sachsen. FOTOS: AMIN AKHTAR 31 BERLINER WIRTSCHAFT 05 | 2019 SCHWERPUNKT | Interview
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