Berliner Wirtschaft 4/2020

Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de Architekt der Avantgarde: Martin Punitzer (Bild) entwarf für den Hersteller für Gewindeschleif­ maschinen Herbert Lindner Fabrik­ gebäude an der Lübarser Straße Licht, sachlich und naturverbunden: Der renommierte Architekt Martin Punitzer schuf visionäre Gebäude für Berliner Kaufleute von Prof. Dr. Klaus Dettmer (BBWA) Die Fabrik im Grünen M artin Punitzer (1889–1949), Sohn eines jüdischen Kaufmanns, gehörte zu den führenden Berliner Architekten. Sein Spezialgebiet war die zeitgemäße Umgestaltung von Geschäftshäusern. Er brach total mit dem Stilmischmasch und der Orna- mentenflut des Wilhelminismus. Seine Kenn- zeichenwaren geometrische Flächenaufteilung, horizontale Fensterbänder, Keramik- und Glas- ziegel sowie neue Farbskalen. In der Lankwitzer Nicolaistraße 7 steht noch heute Punitzers Visitenkarte als Avantgarde-Ar- chitekt: das Verwaltungsgebäude der Robert AbrahamsonGmbH, die elektrischeMessinstru- mente herstellte. Die markante „runde Ecke“, die Gesimsbänder und die farbige Kachelver- kleidung waren 1928 Ausrufungszeichen der Moderne. Die Stahlskelettbauweise ermöglichte flexible Raumaufteilungen. Punitzers Bekannt- heit brachte ihm den Auftrag zur Umgestaltung des Innenraumes der KomischenOper ein – vom Jugendstil zur Neuen Sachlichkeit. Licht war für Punitzer nicht nur ein Quali- tätsfaktor des Arbeitsplatzes, es war als elektri- sches Licht auch ein neues Element der Reklame. Das zeigte er eindrucksvoll amLichtspieltheater „Roxy-Palast“. Als bemerkenswertes Baudenkmal kann man heute die „Fabrik im Grünen“ des Fabri- kanten Herbert Lindner bezeichnen: Er hatte Punitzer 1932 beauftragt, in der Lübarser Str. 8-38 Fabrikhallen und ein vierstöckiges Verwal- tungsgebäudemitten ins Grüne zu stellen. Punit- zer verfolgte die Absicht, die Arbeiter durch die großen Fenster in eine direkte Verbindung zu den jahreszeitlichenAbläufen in der Natur zu verset- zen. Auch hier zeigen abgerundete Baukonturen und Fensterbänder dieHandschrift von Punitzer. Mit der Verfolgung der Juden im National- sozialismus endete die Karriere von Punitzer jäh. Man verweigerte ihm die Zulassung zur Reichskammer der bildenden Künste – prak- tisch ein Berufsverbot. Nach dem Pogrom am 9.November1938wurdePunitzerinsKZOranien- burg gebracht. 1939 gelang ihmmit seiner Familie die Flucht nach Chile, wo er 1949 starb. ■ FOTOS: BBWA 41 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2020 BRANCHEN | Historie

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