Berliner Wirtschaft 4/2020

D as Nikolaiviertel mit sechs Museen, einem kleinen Theater, rund 30 gastro- nomischen Betrieben und 40Geschäften gehört zu den ältesten Siedlungsgebieten Berlins. Seit Jahren ist das touristische Kleinod – eine nun unter Denkmalschutz stehende win- zige Stadt in der Stadt – von Baustellen eingekes- selt. Deshalb schlossen sich Gewerbetreibende, Anwohner und Kulturschaffende 2017 zur Inte- ressengemeinschaft Nikolaiviertel zusammen. Gemeinsames Ziel: das Quartier zwischen Span- dauer Straße und Spree imOrtsteil Mitte attrak- tiver machen. Mit der Projektidee, demNikolai- viertelmitseinenLäden,gastronomischenBetrie- ben und Sehenswürdigkeiten einen einheitlichen digitalen Auftritt zu verschaffen, nahmder Ver- ein schließlich am aktuellen Durchlauf 2019/20 desWettbewerbs „MittendrIn Berlin! Projekte in Berliner Zentren“ teil. Der wird seit 2005 vom Land Berlin in enger Kooperation mit der IHK Berlin undUnternehmen der privatenWirtschaft ausgerichtet. „Nach unserem Besuch der Auftaktver- anstaltung bei der IHK im Mai vergangenen Jahres stand fest: Da machen wir mit“, sagt Annett Greiner-Bäuerle, 1. Vorsitzende der IG Nikolaiviertel und geschäftsführende Inhaberin des Brauhauses Georgbraeu. In einer Kurzbewer- bung skizzierte der Vereinsvorstand seine Idee, die schließlich imAugust die Juryüberzeugte:Von insgesamt 28 Projektteams wurden neben der IG Nikolaiviertel siebenweitere für die zweiteRunde von „MittendrIn Berlin!“ nominiert. Auf einem „MittendrIn vor Ort“-Treffen mit 200 Gästen in der Nikolaikirche war dann das Konzept präsentiert und weiter ausgearbeitet worden. „Da ging es zum Beispiel um die virtu- elle Modellierung des Viertels und einen Rund- gang via App, umunsere Stadtführerin als Avatar oder um das Viertel als Marke und kleine Smart City“, erläutert Greiner-Bäuerle. „Wir sind stolz darauf, dass wir für dieses Projekt die Expertise der Berliner Hochschulen gewinnen konnten.“ Gemeinsame Website für das Quartier Dass die IGNikolaiviertel zumSchluss nicht unter den drei Sieger-Teams war, nimmt die Georg- braeu-Chefin eher sportlich: „Wir wissen jetzt, was wir können, und wir wissen – auch wenn wir nicht gewonnen haben –, dass wir auf dem richtigenWeg sind.“ Alsowerdemanweiterma- chen und nun eben nach Sponsoren suchen, um zunächst die gemeinsameWebsite auszubauen. „Darauf soll die interneKommunikationder rund 2.000Menschenhier imQuartier laufen, danndie Kommunikation nach außen zu den benachbar- ten Initiativen und zur Politik, und nicht zuletzt sollen Besucher, Gäste und Interessierte umfas- send über unser Viertel informiert werden – vor allemüber einendigitalenRundgang,womanper AppbestimmtePunkte ansteuernkannunddann in der gewünschten Sprache dazu alle Informati- onen erhält.“ Ein anderes Projekt werde ebenfalls weiterverfolgt: „Wir kämpfen darum, dass der im Bau befindliche U-Bahnhof Rotes Rathaus den Zusatz Nikolaiviertel erhält – damit würde Ber- lins Gründungsort endlich aufgewertet.“ Kieze machen den Spirit der Stadt aus Nutzungsgemischte Quartiere wie das Nikolai- viertel, die gleichzeitig auch Identifikationsmit- telpunkte für Bewohner, Gewerbetreibende, Gas- tronomen, Dienstleister, Kreative und Besucher sind, prägendenCharakter der Stadt, diemit ihren verschiedenen Zentren, Kiezen und Einkaufs- standorten in einer einzigartigen Vielfalt glänzt. „Berlins Kieze, dieVielzahl undUnterschiedlich- keit der städtischen Zentren und Geschäftsstra- ßen machen seit jeher den Spirit der Stadt aus“, sagt Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung undWohnen. Berlin sei poly- zentral, hier werde man niemals wie in Mün- chen oder Hamburg hören: Wir gehen heute in die Stadt. Die städtebauliche Entwicklung Berlins zeige sich ganz besonders in ihren Zentren, ihrer baulichenVielschichtigkeit und kontinuierlichen Veränderung. „Das ist ein großes Pfund, das die Lebensqualität in Berlin entscheidendmitprägt.“ Damit Stadtentwicklung auf diese Polyzen- tralität einwirken und sie stärken kann, gebe es verschiedene Instrumente, sagt Regula Lüscher: „Zum Beispiel den Stadtentwicklungsplan Zen- tren 2030, den der Senat im letzten Jahr beschlos- sen hat – er zielt als planerisches Instrument darauf, die Investitionen imEinzelhandel so ver- träglich zu steuern, dass das Zentrengefüge auch imZeitalter desOnlinehandels stabil bleibt.“Oder das Bund-Länder-Programm „Aktive Zentren“. „Dieses erlaubt uns, Impulse zurwirtschaftlichen und stadtstrukturellen Stärkung ausgewählter Geschäftsstraßen zu setzen.“ Wer auf der Autobahn in die Hauptstadt kommt, wird über die blauen Schilder nicht in ein Stadtzentrum geleitet, sondern gleich in zwei: Berlin-Zentrum (Zoo) und Berlin-Zen- Timo Herzberg CEO Deutschland der Signa Group Herzberg sitzt in der Jury des Wettbewerbs „MittendrIn Berlin!“, den Signa als Partner unterstützt, auch mit finanziellen Mitteln. Wie er sagt, ginge es im Kern darum, Innenstädte attraktiv zu machen und lebenswerte Orte für alle zu schaffen Annett Greiner-Bäuerle 1. Vorsitzende der IG Nikolaiviertel Nach der Auftaktveran- staltung von ,Mittendrin‘ bei der IHK stand fest: Da machen wir mit. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN » SCHWERPUNKT | Städtische Zentren 24 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2020

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