Berliner Wirtschaft 3/2019

60 berliner wirtschaft 03 / 2019 service / Gründerszene wischenmenschlicher Zusammenhalt, die Bündelung unterschiedlicher Fähig- keiten und der Fokus auf ein gemeinsa- mes Ziel sind Erfolgsfaktoren für Start- ups. Ungelöste Konflikte oder eine inkompatible Gesellschafterstruktur können das gemeinsame Projekt jedoch bedrohen. Die folgende Fünf-Punk- te-Agenda soll helfen, das zu verhindern. 1. Drum prüfe, wer sich ewig bindet … Die Weisheit aus Schillers „Lied von der Glocke“ gilt nicht nur für die Ehe. Gründer gehen mit ih- renMitgesellschaftern inwirtschaftlicher Hinsicht oft eine noch stärkere Schicksalsgemeinschaft ein als mit ihrem Lebenspartner. Fehler, die bei der Vergesellschaftung begangenwerden, können spä- ter weder durch den besten Gesellschaftsvertrag behoben werden noch durch die fähigsten Rich- ter. Die grundlegende Frage ist deswegen, ob man überhaupt mit anderen gründet oder es nicht lie- ber auf eigene Faust versucht. Wer allein agiert, muss weniger Rücksicht neh- men, kann aber auch weniger Synergien nutzen, als es bei der Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten möglich ist –wenn beispielsweise der „Kreative“ gemeinsammit dem „Kaufmann“ gründet. Der Einzelgründer trägt au- ßerdem das volle unternehmerische Risiko. Ent- schließt man sich hingegen zur Vergesellschaftung, stellt sich die Frage nach dem oder den richtigen Partner/n. Es kommt dabei nicht darauf an, ein Spiegelbild seiner selbst zu finden. Im Gegenteil: Synergien entstehen oft nur, wenn unterschiedli- che Typen zusammenarbeiten. Allerdings sollten bei den wichtigsten Fragen ähnliche Vorstellun- gen bestehen. Dazu gehören Unternehmensziele ebenso wie eine ähnliche Beantwortung der Fra- gen: Welchen Beitrag haben die Gründer gegen- über der Gesellschaft zu leisten, und welche Ge- genleistungen können sie erwarten? Auch die Führungsrollen in der Gesellschaft sollten zumindest stillschweigend verteilt sein. Wenn man gemeinsam ein Unternehmen gründet, geht das manchmal nicht lange gut. Wer aber einige Regeln beachtet, kann Konflikte lösen oder – besser noch – gleich vermeiden von Florian Kreis Streiten zwei Alphatiere um die Meinungsführer- schaft, leiden darunter alle anderen. Und schließ- lich: Stellen die Gründer fest, dass sie doch nicht zueinanderpassen, sollten sie ernsthaft in Erwä- gung ziehen, wieder getrennteWege zu gehen. Das gilt auch dann, wenn dadurch Anfangsinvestitio- nen zunichtegemacht würden. 2. Gesellschaftsvertrag vorausschauend gestalten Der Gesellschaftsvertrag definiert die Spielre- geln zwischen den Gesellschaftern. Im besten Fall muss er nie bemüht werden. Besteht zwi- schen den Gesellschaftern dagegen Uneinigkeit, kann sich jede Partei auf das zurückziehen, was ursprünglich – als sich noch alle einig waren – von den Gesellschaftern als fair und gerecht er- achtet wurde. Sinn und Zweck eines Gesellschaftsvertrages ist nicht (nur), juristische Formalien zu regeln. Sei- ne Gestaltung sollte vielmehr als kreativer Prozess wahrgenommen werden, der Gelegenheit gibt, frühzeitig Themen zu diskutieren, die typischer- weise irgendwann relevant werden. Jeder Gesell- schafter kann seinen Standpunkt darlegen und weiß von Anfang an, ob die Mitgründer ihn teilen oder ob er mit einem konträren Standpunkt seiner Partner lebenmuss. Rechtsanwälte können diesen Prozess moderieren, auf Konfliktfelder hinweisen und Lösungsansätze aufzeigen. 3. Regelmäßig nachjustieren Ein Gesellschaftsvertrag bildet immer nur die Ist-Situation ab. Doch veränderte Situationen be- dürfen veränderter Spielregeln. Das kann betrieb- liche Gründe haben, zum Beispiel ein unerwarte- tes Umsatzwachstum, ungeplanter Kapitalbedarf oder die Aufnahme weiterer Gesellschafter, die unter Umständen andere Ziele verfolgen. Die Veränderung kann aber auch im priva- ten Bereich wurzeln, etwa wenn der eine Gesell- schafter eine Familie gründet oder ein Sabbatical einlegt, der andere aber weiterhin seine gesam- Wie Streit zu vermeiden ist Florian Kreis Der Autor ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei KLX. Er vertritt Mandanten bei Gründungen, Gesellschafterstreitig- keiten, Unternehmens- käufen und Unternehmens- finanzierungen. Kreis ist Mitautor des Handbuchs „Gesellschafterstreit: Vermeiden oder gewinnen“. Link zur Website der Gründerszene Die ungekürzte Version des Textes unter: gruenderszene.de Z

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