Berliner Wirtschaft 3/2019

39 berliner wirtschaft 03 / 2019 branchen / BBWA us der Fabrik in der Kreuzberger Sebastianstraße 18/19 kamen nicht einfach nur Lampen – Schwint- zer & Gräff produzierte „Lichtträ- ger“ und „Beleuchtungskörper“. Eswar der Sohn des Gründers, Willy Schwintzer, der das Unternehmen seit 1900 führte und mit der Beschäftigung des Architekten Franz Haegele ab 1915 an die künstlerischen Strömungen der Zeit anschloss. Haegele war nicht nur leitender Gestalter für mo- derne, ja, futuristische Leuchten in der Fir- ma, sondern nannte die Produkte aus sei- nem Hause moderne „Raum-Glieder und Licht-Spender“, die als Stilelemente der Innendekoration zu Kunstwerken des Ju- gendstils wurden. Schwintzer & Gräff ge- hörte in den 1920er-Jahren zur Avantgarde der Lampenindustrie und war auf vielen Messen in Europa vertreten. Das Unter- Ehrliche Leuchten Aufrichtigkeit und Hingabe an Material und Verarbeitung prägten die Arbeitsweise von Schwintzer & Gräff. Noch heute gelten ihre Lampen als Ikonen von Björn Berghausen (BBWA) nehmen führte unter vertraglicher Ko- operation von 1927 bis 1930 die Produkti- on der vom Bauhaus designten Leuchten durch. Zwar war die bekannte Designe- rin Marianne Brandt mit der Ausführung im Detail nicht zufrieden, was das Ende der Zusammenarbeit einleitete, aber der Kreuzberger Metallwerkstatt verdanken sich dennoch Kunstwerke, die heutzutage antiquarische Höchstpreise erzielen. Eine der Bauhaus-Ikonen – die „Tischleuch- te WG 24“ von WilhelmWagenfeld, heute kurz „Wagenfeld-Lampe“ genannt –wur- de 1926 erstmals bei Schwintzer & Gräff industriell gefertigt. Die Anfänge des Unternehmens wa- ren bescheiden. Carl Schwintzer undWil- helm Gräff gründeten die Metallwerkstatt 1864 in der Stallschreiberstraße 47 nahe dem Moritzplatz in Kreuzberg und fertig- ten hier mit wenigen Arbeitern die unter- schiedlichsten Beleuchtungskörper, „an- gefangen beim einfachen Petroleumbren- ner […] bis zum größten Prunklichtträger im Festsaal“, wie das Unternehmen im Ju- ni 1914 anlässlich des 50. Jubiläums in sei- ner „Gedenkmappe“ verkündet. Den Er- folg habe die Firma „ihren Grundsätzen der Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zu ver- danken“, nicht nur gegenüber den Abnehmern und Kunden, sondern auch „im Material und seiner Be- arbeitung“. Noch zu Lebzeiten der Gründer war das Geschäft inter- national ausgerichtet, Albert Gräff leitete die Niederlassung in New York, vonwo aus er Dichtrohr und Zubehör vertrieb. Die völlige Zerstörung der Fa- brik und der Musterräume in der Sebastianstraße durch einen Bombentreffer 1944 beendete die Geschäftstätigkeit des Unterneh- mens, seine Produkte haben aber noch heute Leuchtkraft. FOTOS: BBWA (2), PICTURE ALLIANC/DPA Willy Schwint- zer führte das Unternehmen Schwintzer & Gräff seit 1900 Die Wagen- feld-Lampe im Bauhaus-Design erzielt heute Höchstpreise A Für Interessierte Die Bestände des Berlin-Branden- burgischen Wirt- schaftsarchivs (BBWA) können eingesehen werden. Kontakt und Informationen: bb-wa.de

RkJQdWJsaXNoZXIy MzI1ODA1