Berliner Wirtschaft 2/2020

Was hat das mit NewWork zu tun? Wenn Sie die Bindung und Motivation der Mitar- beiter steigern wollen, kommen Sie zu den Themen Eigenverantwortung und Selbstmanagement. Es geht dann auch um Karriere- und Kompetenzentwick- lung, um Work-Life-Integration. Damit ist die Ver- einbarkeit von Beruf und Familie und Freizeit, aber auch Selbstverwirklichung gemeint. Das ist New Work. Allerdings müssen wir uns fragen: Wollen wir über NewWork in der Theorie sprechen oder darü- ber, welche Bedeutung das Thema in der Praxis hat? Ich glaube, unseren Lesern ist die Praxis näher. Dann sollten wir uns mit dem Ziel beschäftigen, das Unternehmen mit NewWork tatsächlich verfolgen. Es geht ihnen um die Steigerung der Produktivität, neuerdings auch um die Job-Attraktivität. Deshalb gehören auch das Arbeitsumfeld und die Ausstat- tung der Arbeitsplätze dazu. Sind diese New-Work-Themen in großen Konzer- nenweniger relevant? Sie haben eingangs nur kleine und mittelständische Firmen erwähnt. Veränderungen in der Unternehmenskultur sind in großen Konzernen weniger dringlich, um Arbeits- kräfte zu gewinnen, weil sie dort meist schon über starke Marken verfügen, die Mitarbeiter anlocken. Außerdemkönnen sie höhere Gehälter zahlen. Kleine Firmenmüssen deshalbmit anderen Argumenten im Wettbewerb um Talente bestehen und stoßen dabei auf NewWork. Allerdings verändern auch Konzerne ihre Unternehmenskultur aufgrund des Fachkräf- temangels. Grundsätzlich ist New Work meiner Ansicht nach für alle ein Thema, die Probleme für sich sehen, genug gute Leute an Bord zu holen. Welche Argumente haben kleinere Unternehmen? Sie versuchen es mit einer besseren Selbstverwirk- lichung am Arbeitsplatz, flexibleren Arbeitsbedin- gungen, einer schnelleren Karriereentwicklung oder bieten auch zum Berufseinstieg schon wohl- klingende Titel an. Wenn New Work die Steigerung der Produktivität zumZiel hat: Ist es dannwirklich etwas Neues? Die- ses Ziel hatten Unternehmen doch schon immer. Ja, aber NewWork ist jetzt die nächste Stufe. Unter- nehmenmüssen sich fragen, wie sie einerseits klare Ziele vorgeben können und andererseits möglichst viel Freiraum für die Job-Attraktivität schaffen kön- nen. Die Antwort ist dann Eigenverantwortung und Selbstmanagement. Mitarbeiter können also selbst überlegen, wie sie die Ziele erreichen können. Die Hierarchienwerden flacher, Führung verändert sich. Weiterbildung wird ein extrem wichtiges Thema, weil der Wunsch von Mitarbeitern, sich schnell und gut weiterzuentwickeln, sehr groß ist. Wollen das wirklich alle Mitarbeiter? Das ist ein wichtiger Punkt. Nein, das wollen nicht alle. Aber die Richtigen wollen das. Unternehmen, die eine Unternehmenskultur mit einemhohenMaß an Eigenverantwortung und Selbstmanagement bie- ten können, ziehen vor allem die besonders moti- vierten Mitarbeiter an. Vielfach ist an dieser Stelle aber auch schon ein Generationenkonflikt zu spüren. Was meinen Sie damit? Viele Führungskräfte, die jahrzehntelang die frü- heren Machtverhältnisse amArbeitsmarkt gewohnt waren, tun sich jetzt schwer mit der Generation Z, also den Jahrgängen 2000 und jünger. Die haben nämlich sehr klare Vorstellungen, was sie verdienen wollen, wie ihre Karriere verlaufen soll und welche Arbeitsbedingungen sie vorfinden wollen. Ist es nicht verständlich, dass erfahrene Führungs- kräfte Probleme mit einer solchen Anspruchshal- tung von Berufsanfängern haben? Ja, natürlich. Aber für Unternehmen, denen es nicht gelingt, diese Generation zu integrieren, kann das dramatische Folgen haben. Wir reden ja auch über High Potentials und Fachkräfte von morgen, auf die Firmen angewiesen sind. Wenn Arbeitgeber nicht bereit sind, auf Forderungen einzugehen oder zumindest Kompromisse zu schließen, sind die künftigen Leistungsträger aus der neuen Genera- tion ganz schnell bei Wettbewerbern, wo die Erwar- tungen erfüllt werden. Versuchen Sie doch mal, im Generationenkonflikt zu vermitteln: Was spricht für die Generation Z? Ehrlich gesagt: Ich finde es sehr positiv, wenn junge Menschen mit einem solchen Selbstbewusstsein auftreten. Wir haben uns in Deutschland lange Zeit gewünscht, dass mehr Nachwuchs mit Unterneh- mer-Mentalität aus den Schulen oder aus der Aus- bildung entlassen wird. Jetzt haben wir sie, aber wir reagieren erschrocken darauf. Sie glauben, dass in der Generation Z mehr Unter- nehmerpersönlichkeiten heranwachsen? Ja. Es sindmeiner Ansicht eindeutig mehr Berufsein- steiger mit den Denkweisen von Unternehmern aus- gestattet. Und ich finde das gut. Sie wollen schnell lernen und sich schnell entwickeln. Mittelfristig Roland von Kiedrowski ist spezialisiert auf Weiterbildung. Er will dabei nur das lehren, was wirklich gebraucht wird, und seine Kunden nicht überfordern SCHWERPUNKT | Interview 30 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2020

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