Berliner Wirtschaft 2/2020

„New Work ist unser Bestseller“ Berater Roland von Kiedrowski beobachtet seit rund zehn Jahren, wie der Kampf um Talente und Fachkräfte immer mehr zur Existenzfrage für Firmen wird. Die meisten müssen ihre Unternehmenskultur verändern von Michael Gneuss M it dem Beratungsunternehmen ACT – Advanced Coaching and Training berät Roland von Kiedrowski Firmen bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Meist wollen die Unternehmen damit auch attraktiver für neues Personal werden. Der Fachkräftemangel ist der große Treiber für New Work, sagt von Kiedrowski. Berliner Wirtschaft: Welche Rolle spielt NewWork in Ihrer Beratungspraxis? Roland von Kiedrowski: Eine sehr große. In klei- nen und mittelständischen Firmen und vor allem in der Digitalwirtschaft ist das Thema sehr präsent. Ich würde sagen: NewWork ist derzeit unser Bestseller. Worauf führen Sie das zurück? New Work ist eigentlich nichts Neues. Der Begriff kam schon in den Achtzigerjahren auf. Aber erst in den Zehnerjahren ist NewWork zumMassenphäno- men geworden. Der Grund dafür ist der Fachkräfte- mangel, der seitdem mehr und mehr spürbar wird und Unternehmen zum Umdenken zwingt. Wozu führt das Umdenken? Zu Beginn der Zehnerjahre merkten die Unterneh- men, dass die Bewerberzahlen zurückgingen. Sie haben mit Umstrukturierungen in den Personalab- teilungen reagiert. Bis dato wurden die Bewerbungen einfach abgearbeitet, nun mussten ganze Teams für das Recruiting gebildet werden, ummehr Bewerbun- gen zu generieren. Aber das haben dann alle Firmen gemacht, und deshalb hat es die Situation des ein- zelnen Unternehmens nicht verbessert. Und was haben sie dann gemacht? Und dann – etwa drei Jahre später – wurde mehr Wert auf Employer Branding gelegt. Das war die Zeit, in der sich Unternehmen diverse Benefits ausgedacht haben, um attraktiver für Arbeitnehmer zu werden. Es wurden Kickertische und Saftpressen aufgestellt. Aber das war auch noch nicht die Lösung. Richtig. Man hat erkannt, dass es nichts bringt, tolle Dinge zu versprechen, wenn das nicht mit der Arbeitsrealität in Einklang steht. Die neuen Mit- arbeiter, die dann in ihren Teams auf schlechte Stimmung stießen, wenig Möglichkeiten zur Weiterentwicklung hatten, unter schlechten Füh- rungskräften und schwerfälligen Hierarchien litten, waren auch schnell wieder weg. Deshalb rückte zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts ein Trend aus den USA, das sogenannte „Engagement“, in den Fokus – und da sind wir dann auch schon beim Kern von New Work. Was verstehen Sie unter „Engagement“? Unternehmer mussten sich damit beschäftigen, wie sie die Loyalität und Bindung ihrer Mitarbeiter zum Unternehmen sowie die Motivation steigern konnten. „Engagement“ würde ich in diesem Kontext daher in erster Linie mit Bindung und Motivation überset- zen. Viele Unternehmen verwechseln immer noch Mitarbeiterzufriedenheit und „Engagement“. Ein Beispiel: Der Kickertisch führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Menschen besser arbeiten oder bes- sere Ergebnisse erzielen. Aber es kann sein, dass sie damit zufriedener sind. Links: Roland von Kiedrowski hat 17 Jahre lang Management- Erfahrungen bei Immobilien- Scout24 sammeln können – von der Gründung über den Börsengang bis hin zur Internatio- nalisierung » FOTO: AMIN AKTHAR Roland von Kiedrowski Berater Der Kickertisch führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Menschen besser arbeiten. 29 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2020 SCHWERPUNKT | Interview

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