Berliner Wirtschaft 2/2020

B erlin-Kreuzberg, Glogauer Straße, zweiter Hinterhof, vierte Etage: Hier hat die Inno- vationsagentur und -beratung Dark Horse ihren Sitz. Für Kunden wie SAP, Telekom, Audi, Lufthansa oder die Deutsche Bahn erar- beitet sie Produkt- und Service-Designs. Sie hilft Unternehmen, ihre digitale und agile Transforma- tion zumeistern, entwickelt spezielle Arbeitsum- gebungen und Workspace-Designs und bietet Trainings, Workshops und Weiterbildungen an. Gegründet wurde Dark Horse vor rund zehn Jah- ren von Absolventen der School of Design Thin- king des Hasso-Plattner-Instituts an der Uni Potsdam. Die 30 Frauen und Männer aus 25 ver- schiedenen Disziplinen wollten nicht in akku- raten Bürostrukturen ihre Zeit absitzen oder in starren Hierarchien festhängen, sondern in einer neuen Arbeitswelt gemeinsam kreativ und pro- duktiv sein – auf Augenhöhe und mit Empathie. Um eine Organisationsform für ihre Agentur zu finden, sprachen sie auch mit dem Benedikti- nerpater AnselmGrün und einem früheren Prior des Klosters Andechs. Und so kamen sie auf die Idee, sich nach dem Prinzip klösterlicher Wirt- schaftsgemeinschaften einzurichten, wo jeder einzelne Mönch sich in die Gemeinschaft ein- bringt, die wiederum für ihn sorgt. „Auch bei uns gibt es Mönche und Pilger“, sagt die Betriebswir- tin Mia Konew, „Mönche sind die, die hier durch- gehend arbeiten, und Pilger die, die zeitweise – manchmal jahrelang – rausgehen, woanders arbeiten oder lehren, um dann wieder mit neuen Erfahrungen und Kontakten zurückzukommen.“ Einmal im Jahr gibt es einen Commitment Day, an dem Auszeit-Wünsche angemeldet werden können. Wer draußen ist, wird von festen freien Mitarbeitern aus dem Freundeskreis oder dem Dark-Horse-Netzwerk ersetzt. Seit 2016 wird bei Dark Horse nur an vier Tagen in der Woche gearbeitet, freitags hat man in der Regel frei. „Ansonsten“, sagt Mia Konew, „experimentieren wir ständig, wie wir unsere Arbeits- und Entscheidungsstrukturenmitarbei- terzentrieren können.“ Die inzwischen vielfach ausgezeichnete Agentur sei soziokratisch orga- nisiert: „Entscheidungen werden nur gemeinsam getroffen, allerdings sind schwerwiegende Ein- wände einzelner Gründer möglich – die müssen dann einen Gegenvorschlag machen, über den neu entschieden wird.“ Ein Preis für den besten Fehler Fehler, die in anderen Unternehmen tabu sind, dürfen bei Dark Horse gemacht werden, weil man daraus lernen kann. Für die besten Fehler gibt es sogar einen Preis, den Failure Award. Mia Konew: „Wir finden es schön, dass wir hier diesen Raum haben, wo alle wissen: Es kann nicht immer alles perfekt und gut sein.“ Eine Einstellung, die auch Melinda Eggert und Jenny Eckermann teilen. Die beiden Expertinnen setzen New-Work-Ansätze bei der IHK Berlin um: „Fehler machen und dar- aus lernen gehört zum Arbeitsalltag“, sagen sie, „denn nur wenn ein Rahmen geschaffen wird, in dem Veränderungen überhaupt möglich sind, können die auch gelingen.“ Die neue Arbeitswelt – New Work –, wie sie bei Dark Horse praktiziert und gelebt wird, sei sicherlich nicht auf jedes Unternehmen über- tragbar, weiß Betriebswirtin Konew. „Aber wer sich als Unternehmer nicht mit New Work aus- einandersetzt, wird es schwer haben, in Zukunft noch wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Der Begriff New Work, Mitte der 80er-Jahre vom österrei- chisch-amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann vor dem Hintergrund der techno- logischen Umwälzungen erfunden, steht heute für eine flexible und selbstbestimmte Arbeit, die dank Smartphone, Tablet oder Laptop nicht mehr an bestimmte Orte oder geregelte Zeiten gebun- den ist. Vor allem jüngere Beschäftigte schät- zen Homeoffices oder Coworking-Spaces, wo crossfunktionale Teams an kundenzentrierten Projekten arbeiten und die betrieblichen Hier- Verena Augustin Studio Director IXDS Mit dem Etikett New Work kann man bei der Kreativagentur nicht viel anfangen. Kommunikatives und transparentes Arbeiten haben sich die Kreuzberger, die Großkunden wie BMW und Siemens, aber auch Start-ups beraten, auf die Fah- nen geschrieben. 94% Young Professionals gaben bei einer Umfrage des Berliner Trendence Instituts an, durch flexibles Arbeiten Beruf und Privatleben besser vereinen zu können. FOTOS: CHRISTIAN KIELMANN SCHWERPUNKT | New Work 22 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2020

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