Berliner Wirtschaft 2/2019
es gleich richtig zu machen. Das hat die Qualität der Planungen dramatisch erhöht. Die unfreiwillige Ver- zögerung hat uns in dieser Hinsicht gutgetan. Sind nicht viele Ihrer Ideen angesichts der Schnell- lebigkeit von Technologien schon veraltet, wenn Fir- men eines Tages auf das Gelände ziehen können? Es ist tatsächlich so, dass einige radikale Ideen, diewir anfangs hatten, schonMainstream sind. Aber das freut uns. Es zeigt, dasswir richtiglagen.Wichtig ist, dasswir auf demGelände maximale Flexibilität für neue Tech- nologien schaffen. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt, aber wir tun alles, um sie nicht zu verhindern. Man braucht Raum für das, was sich entwickelt. Womit stellen Sie das sicher? Dafür gibt es eine 'unterirdische' und eine 'oberirdi- sche' Antwort. Ich fangemit der unterirdischen an:Wir bauen einen Infrastruktur-Kanal unter den Haupttan- genten des Geländes. In diesem rund drei mal vier Me- ter großen Tunnel verlaufen die ganzen Medien. Das Tolle ist, dass wir darin Operationen am offenen Her- zenmachen können. Nachrüstungen, Reparaturen und Innovationen sind also jederzeit möglich, ohne Stra- ßen aufreißen zu müssen. Das Innenleben des Kanals lässt sich auch mit Sensoren überwachen. Und viel- leichtwird es eines Tages kleine Logistik-Roboter oder Drohnen darin geben. Und die oberirdische Antwort? Das ist das gleiche Prinzip.Wir haben eine ÖPNV-Tras- se geplant, parallel zumfließendenVerkehr. Das ist ei- ne sehr langfristige Planung: Ob dann etwas auf Schie- nen oder auf Reifen oder etwas ganz anders fährt, ob mit oder ohne Fahrer, spielt für uns zunächst keine Rolle. Wir wissen nicht, was kommt, aber wir haben den Raum dafür gelassen. Das ist entscheidend. Und zusätzlich gibt es auch noch Experimentierfelder. Was ist das? Wir wollen viel Raum für Neues haben. Deshalb ha- benwir Experimentierfelder eingeplant, die dauerhaft als solche bestehen bleiben, zum Beispiel eine Test- strecke für neue Mobilitätskonzepte. Wenn Start-ups Ideen haben oder Konzerne im urbanen Raum etwas erproben möchten, können sie das hier machen. Und Innovationen lassen sich auf diesen Flächen auch de- monstrieren. Man darf nicht vergessen: Das Gelände liegt nur 15 Minuten entfernt vom Sitz der Regierung der größten Industrienation Europas. Auf diese Strahl- kraft setzen wir. Am Ende wird das eine Art deutsche Industriemesse imRegelbetrieb sein, eine Dauer-Leis- tungsschau der deutschen Industrie. Zur Energieversorgung des Geländes haben Sie be- reits ein sehr modernes Konzept vorgestellt. Ja, wir wollen die überschüssige Energie, die in Pro- duktionsprozessen vor allem in Form von Abwärme oder Abkälte entsteht, so verwerten, dass alle profi- tieren. Daswar der Ursprungsgedanke.Wir realisieren das mit einemLow-Exergie-Netz, einemNiedrigtem- peratur-Nahwärmenetz, das im Sommer mit 20 Grad Celsius Vorlauftemperatur und imWinter mit 40 Grad betrieben wird. Ein Industrieunternehmen, das küh- lenmuss, macht das mit demWasser aus diesemNetz. Andere heizen mit diesemWasser ihreWohnung. Der Vorteil von Niedrigtemperaturnetzen ist, dass manviel besser erneuerbare Energien einspeisen kann. Planen Sie die Produktionvon erneuerbarer Energie? Ja, wir wollen unter anderem mit oberflächenna- her Geothermie Energie gewinnen. Das Besondere an Niedrigtemperaturnetzen ist, dass man schon re- lativ geringe thermische Unterschiede effektiv nut- Philipp Bouteiller arbeitete nach sei- nem Studium bei McKinsey sowie als selbstständiger IT- Unternehmer und Strategieberater 28 berliner wirtschaft 02 / 2019 schwerpunkt / Interview Wichtig ist, dass wir auf dem Gelände maximale Flexibilität für neue Technologien schaffen. Philipp Bouteiller Geschäftsführer
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