Berliner Wirtschaft 1/2020

ischen Medizinprodukte-Verordnung (MDR) ist der bestimmungsgemäße Zweck der Software entscheidend. Grob gesagt, gilt: Soll die Software Krankheiten erkennen oder behandeln, spricht viel für die Einordnung als Medizinprodukt – zum Beispiel, wenn sie bei der Diagnose unterstützt, Entscheidungen über therapeutische Maßnahmen erleichtert oder die Dosierung von Medikamenten berechnet. Stellt die Software hingegen nur Wissen bereit oder speichert sie lediglich Daten, liegt eher kein Medizinprodukt vor. Aus medizinrechtlich-regulatorischer Sicht sind aber nochweitere Punkte wichtig: die Beach- tung des ärztlichen Berufsrechts – die Ausübung von Heilkunde ist Ärzten und Heilpraktikern vor- behalten, darf von einer Software also grund- sätzlich nicht vorgenommen werden –, Aspekte der Arzneimittelsicherheit bei der Generierung umfangreicher Daten und –was derzeit breit dis- kutiert wird – Fragen der Erstattung. Hier wird das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), über das gerade der Bundestag berät, wichtige Änderun- gen bringen. Mit dem Gesetz soll es Patienten künftig ermöglicht werden, Gesundheits-Apps auf Rezept zu erhalten und Online-Sprechstunden einfacher zu nutzen. In den Kreis der verordnungsfähigen Software-Produkte zu kommen, ist für Anbie- ter von erheblicher Relevanz. Es bleibt abzuwar- ten, wie die Voraussetzungen dafür imEinzelnen ausgestaltet sein werden und welche Software es in die Erstattung schafft. Hier lohnt es sich für Gründer in jedem Fall, die aktuelle Entwicklung sehr genau zu verfolgen, ummöglichst frühzeitig entsprechende Daten für die spätere Validierung zu generieren. 2. Wie schütze ich meine Idee? Aus Entwicklersicht sehr wichtig ist die Frage, ob und inwieweit die Idee einer medizinischen App rechtlich vor Trittbrettfahrern geschützt werden kann. Für Kooperationen ist in jedem Fall der Abschluss einer Vertraulichkeitsver- einbarung (Non-Disclosure Agreement, NDA) zu empfehlen. Sie soll sicherstellen, dass vertrau- liche Informationen nur für den gemeinsamen Zweck genutzt und nicht an Dritte weitergege- ben werden. Das betrifft insbesondere den Schutz von Know-how – also internen Geschäftsge- heimnissen. Die rechtlichen Anforderungen an einen wirksamen Schutz derartiger Informatio- nen und Dokumente sind erst kürzlich gestiegen. Anders als bisher üblich müssen die schutzwür- digen Geheimnisse nun genau umschrieben und der Kreis der Zugangsberechtigtenmöglichst eng gehalten werden. Gewerbliche Schutzrechte für Software sind nur schwer zu erlangen. Zumin- dest in Deutschland gilt Software als nicht paten- tierbar. Einen gewissen Schutz bieten allerdings das Urheberrecht sowie – das ist besonders für die Vermarktung relevant – der Schutz durch das Markenrecht. 3. Was geschieht mit den Daten? Die Themen Datenschutz und Datensicherheit haben besondere Relevanz bei Medizin-Software. Schließlich basieren viele Apps und KI-Lösungen auf der Analyse und demAbgleich von konkreten Patientendaten mit einer Vielzahl von – zumeist anonymisierten und aggregierten – Informati- onen anderer Patienten. Die Anforderungen an ein wirksames Einwilligungsmanagement bei der Erhebung und Nutzung von personenbezo- genen Gesundheitsdaten sind seit dem Inkraft- treten der Europäischen Datenschutz-Grundver- ordnung (DSGVO) im Mai 2018 hoch. Durch die rechtskonforme Gestaltung von Einwilligungser- klärungen – insbesondere auch durch eine ein- deutige Definition der geplanten Datennutzung – lassen sich die rechtlichen Herausforderungen meistens in den Griff bekommen. Die Gewähr- leistung eines hohen Niveaus an Datensicherheit ist auch aus Reputationsgründen enorm wich- tig. Datenlecks können gerade im Gesundheits- bereich verheerende Folgen für die betroffenen Anbieter haben. 4. Wer haftet, wenn etwas schiefgeht? Abschließend sollte man sich als Anbieter von medizinischer Software frühzeitig mit Fragen der möglichen Haftung und Versicherung von Risi- ken befassen. Wer muss Verantwortung überneh- men, wenn die Software eine falsche Empfehlung abgibt? Der Programmierer, der Anbieter, der Arzt oder gar die Software selbst? Das ist relativ unbe- kanntes Terrain, und vieles ist hier juristisch noch ungeklärt. Neben den produkthaftungsrechtli- chen Grundsätzen wird mitunter eine Parallele zur Tierhalterhaftung erwogen: Ähnlich wie bei Haustieren stelle eine selbstlernende medizini- sche Software eine Gefahrenquelle dar, für die der Halter – das wäre hier der Anwender – verschul- densunabhängig hafte, heißt es dann. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung diese Diskus- sion künftig führt. ■ Der Autor Rechtsanwalt Dr. Roland Wiring ist Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle. Er vertritt Unternehmen insbesondere aus den Bereichen Pharma, Medizinprodukte, Biotech und angren- zenden Industrien. Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin Innovation der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die Originalversion des Textes unter: gruenderszene.de 61 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2020 SERVICE | Gründerszene

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