Berliner Wirtschaft 1/2019
60 berliner wirtschaft 01 / 2019 service / Gründerszene vor dem pitch 1. Kalte Intros machen Binnenbrücker sagt, es gehe meist schief, sich „kalt“, also völlig ohne Vorwarnung, etwa per Mail, an Investoren heranzupirschen. Denn: Man falle da schon mal vom Schreibtisch. Er rät, lieber den Weg über Bekanntschaften und notfalls mehrere Ecken zu gehen. 2. Auf die falschen Kapitalgeber zugehen Davon, dass die Chemie zwischen Investor und Gründer für ein erfolgreiches Start-up stimmen muss, ist schon in der „Höhle der Löwen“ ständig die Rede. Auch für Binnenbrücker ist das der rich- tige Weg: Man solle sich vorab Unternehmen an- schauen, in die der potenzielle Unterstützer schon eingestiegen ist. „Ihr braucht echte Kooperations- partner, die euchweiterentwickeln können“, meint er und ergänzt: „Meistens haben die guten Inves- toren keine Anzüge an, reinen Bankern fehlt das wichtige Netzwerk. Die besten Geldgeber ticken zu 100 Prozent unternehmerisch.“ „Hire slow, fire fast“ – und nie ohne „Tech-Guy“ zum Pitch. Deal-Tipps von Investor Jörg Binnenbrücker für Start-ups, die auf Kapitalsuche sind von Elisabeth Neuhaus mittendrin 3. Die Präsi gegen die Wand fahren Jörg Binnenbrücker empfiehlt Unternehmern, auf Live-Demos lieber zu verzichten und Inves- toren stattdessen ein Mock-up des fertigen Pro- dukts vorzuführen. „In acht von zehn Fällen funk- tioniert die Live-Demo nicht“, schätzt der erfah- rene VC-Experte. 4. Den Techie vergessen EinWHU-ler gehöre zu jedem guten Start-up da- zu, witzelt Binnenbrücker, meint es aber durchaus ernst: Bei jedem Pitch müsse ein Mitarbeiter oder ein Mitgründer dabei sein, der über den entspre- chenden technischen Hintergrund verfügt, um auf Rückfragen antworten zu können. 5. Lügen Was für Unternehmenszahlen gilt, trifft auch auf scheinbar banale Informationen zu: Schönre- den ist unschön. Und fliegt später meist sowieso auf. Einmal habe Binnenbrücker beim Pitch ei- nes Gründers mit berühmtemNachnamen gefragt, ob er einen bekannten Vater habe. Der Gründer habe verneint. Später sei dann herausgekommen, dass die Familienverhältnisse doch so waren, wie von Binnenbrücker vermutet. „Ich will nicht mit Lügnern zusammenarbeiten, sondern mit Leuten, die loyal sind. Ihr glaubt nicht, wie viel Unsinn die Leute erzählen, wenn sie nach Geld fragen“, sagt der Investor. 6. Versuchen, jemand anderes zu sein Raus aus dem Anzug und rein in den Kapuzen- pulli? „Du pitchst nicht gut, wenn du dich nicht wohlfühlst“, meint Binnenbrücker und spricht aus Erfahrung. Auch er trage am liebsten Turnschuhe und T-Shirt. Die vermeintliche Binsenweisheit „be yourself“ wiederholt er gleich mehrfach. Für ihn ist sie eine der bedeutendsten Grundlagen für ei- nen guten Pitch. Warnung vor zehn Fuckups Elisabeth Neuhaus Die Autorin gehört seit Juni 2014 zur „Gründerszene“- Redaktion. Sie studierte Publizistik und Amerika- nistik in Mainz, wo sie unter anderem für 3sat, den Südwestrundfunk und verschiedene regionale Zeitungen tätig war. n der Start-up-Szene kennt er sich aus. Jörg Binnenbrücker wurde vor 13 Jahren Inves- tment Manager beim High-Tech Gründer- fonds, verantwortete anschließend das Be- teiligungsgeschäft des Kölner Medienhauses Dumont. 2012 gründete der Anwalt den Wagnis- kapitalfonds Capnamic Ventures. Zudem hat er etwa in den Luxusuhren-Marktplatz Chronext oder die Mitarbeiter-App Staffbase investiert. Bei Dumont Venture begleitete er Investments in Firmen wie Lieferando und Rebuy. Auch war Binnenbrücker bei zahllosen Pitches dabei. Cap- namic erhalte rund 2.000 Business-Pläne pro Jahr, schätzt er. Nur vier von sechs Start-ups bekom- men vom VC den Zuschlag. Bei der Digital2018 in Köln berichtete der Investor imNovember von den größten Fuckups, die sich Start-ups leisten. Link zur Website der Gründerszene Die Ursprungsversion des Textes unter: gruenderszene.de I
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