Berliner Wirtschaft 1/2019

60% der DAX-Konzerne haben inzwischen in Berlin Innovationslabore gegründet, in denen neue und etablierte Industrie zusammengebracht werden sollen. FOTO: GETTY IMAGES/ERHUI1979 26 berliner wirtschaft 01 / 2019 schwerpunkt / Start-ups lytics inklusive Blockchain und Künstliche Intelli- genz sowie Mobilitätwerden immer interessanter, da sie bei der digitalenTransformation traditioneller In- dustriebranchen helfen können – und somit von den großen Trends Industrie 4.0 sowie Elektromobilität/ Autonomes Fahren profitieren können.“ Kein Wunder, dass die Konzerne die Nähe zu den Start-ups suchen. Rund 60 Prozent der deut- schen DAX-Konzerne haben mittlerweile Innovati- onslabore in Berlin eröffnet, um neue und etablier- te Industrie zu verbinden. Da trifft es sich gut, dass bevorzugter Kooperationspartner der Start-ups laut PwC-Studie die etablierten Unternehmen sind. Zu den Newcomern an der Spree gehört zum Beispiel der Bosch-Konzern, derAnfang 2018 einen IoT-Cam- pus im Tempelhofer Hafen eröffnete, um „Brücken zwischen unseren eigenen undweiteren IoT-Exper- ten der Kreativ- und Digitalszene Berlins zu bauen“, wie Bosch-Chef Volkmar Denner sagte. Soziale Start-ups zwischen den Techies Inmitten der Techies fühlen sich auch soziale Start- ups wohl. Zum Beispiel die share GmbH, die Mi- neralwasser, Müsliriegel und Handseife unter der Marke „share“ herstellt und in 5.000 Rewe- und dm-Märkten anbietet. Für jedes verkaufte Pro- dukt bekommen Menschen in Not ein gleichwerti- Campus-Gedanke: die Kompetenzen von Old und New Economy zusammenbringen ges Produkt. Das gute Ökosystem, die Dynamik der Stadt und die hohe Lebensqualität haben Geschäfts- führer Sebastian Stricker nach dem Verkauf seines ersten Start-ups an die UN überzeugt, auchmit sei- nem zweiten Unternehmen hierzubleiben. „Gern wärenwir allerdings in einemCoworking Space ge- startet, haben aber keine geeignete Fläche gefun- den. Das ist in London und Paris definitiv einfa- cher“, sagt der gebürtige Österreicher, der 2014 die Non-Profit-Organisation ShareTheMeal gegründet hatte, eine App, die globalen Hunger bekämpft. Mit einem Klick in der App werden 40 Cent gespendet, die ein Kind für einen Tag lang ernähren. 2015wur- de ShareTheMeal imRahmen der zweiten Finanzie- rungsrunde an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen angegliedert. Mit dem Start der share GmbH schied Stricker schließlich 2017 aus. Positives und Negatives liegen eng beieinander Wie eng Positives und Negatives in Berlin beiein- anderliegen, haben die Google-Absage und die fast gleichzeitige Siemens-Zusage eindrucksvoll bewie- sen. In Siemensstadt will Siemens auf einem Cam- pus mit Forschungslaboren und Hightech-Pro- duktionsanlagen für Start-ups Old und New Eco- nomy verzahnen. In Kreuzberg hatte es aus Angst vor Gentrifizierung massive Proteste gegen die Campus-Pläne von Google gegeben. Die Amerika- ner überlassen jetzt das Gestalten ihrer Mietfläche der Online-SpendenplattformBetterplace und dem Verein Karuna, der sich für Kinder und Jugendliche in Not einsetzt. „Der Umgang mit Google hat bei vie- len Unternehmen in- und außerhalb von Berlin für Befremden gesorgt“, sagt HenrikVagt, Geschäftsfüh- rer Wirtschaft & Politik der IHK Berlin. „Die Stadt muss ihre Attraktivität für Start-ups und Innova- tionszentren großer Unternehmen immer wieder neu unter Beweis stellen. Besonders bedauerlich ist, dass ein großer Erfolg wie die Ansiedlung des Sie- mens-Innovationscampus in der Außenwahrneh- mung durch den Fall Google unnötigerweise ein- getrübt wird.“ Anderswo dürfte man das Google-Debakel auf- merksam verfolgen. Etwa in NRW, das sich mit Ini- tiativen wie „Digitale Wirtschaft NRW“ profilieren will. Hamburg hat jüngst eine Fintech Agency ge- gründet. Für Tobias Kollmann, Professor für Unter- nehmertum an der Uni Duisburg-Essen und Leiter der Studie Deutscher Startup Monitor, steht denn auch fest: „Berlin liegt nach wie vor vorn. Aber der Abstand zu anderen deutschen Regionen wird klei- ner. Die Stadt darf sich nicht auf dem ausruhen, was sich im Ursprung einmal von allein ergeben hat.“

RkJQdWJsaXNoZXIy MzI1ODA1