Berliner Wirtschaft 1/2019
lemal ein Durchbruch. In London zeigt sein Unter- nehmen schon in 13 Bezirken Flagge, hat gerade eine große Ausschreibung mit Siemens fürweitere Ladesta- tionen gewonnen. In Frankreich arbeitet man Seite an Seite mit dem Stromriesen EDF, der wie Siemens an Ubitricity beteiligt ist. „Jetzt freuen wir uns auf Ber- lin“, sagt der Chef. Einmal mehr eine gute Nachricht für den Standort und sein Start-up-Ökosystem. Wäre Berlin ein junges Mädchen, würde es regel- mäßig erröten. So viel Lob und Liebesbeweise kom- men von allen Seiten. Als im Herbst 2018 Schlagzei- len die Runde machten, Nordrhein-Westfalen habe Berlin als gefragtester Start-up-Standort abgelöst, lie- ßen die Reaktionen nicht lange auf sichwarten. „Ber- lin bleibt klar der Standort Nummer eins in Deutsch- land“, konterte Florian Nöll, Vorsitzender des Bun- desverbandes Deutsche Startups, dessen Deutscher Startup Monitor die Verwirrung erst ausgelöst hatte. Danach hatten 19 Prozent von 1.600 Start-ups ihren Sitz in NRW, während Berlin auf nur 16 Prozent kam. Diese Zahlen bezögen sich jedoch nur auf die befrag- ten Unternehmen, ließen also keine Rückschlüsse auf die gesamte Branche zu, beeilten sich die Autoren der Studie klarzustellen. Ramona Pop, BerlinsWirtschaftssenatorin, sprang gleichsam in die Bresche. In der Berliner Digitalwirt- schaft seien 2017 mehr Unternehmen gegründet wor- den als in Hamburg, München und Frankfurt zusam- men. Insgesamt seien gut 88.000 Menschen ange- stellt, mehr als in jeder anderen deutschen Großstadt. Aktuell seien es 9.000 Start-ups mit mehr als 100.000 Mitarbeitern, schätzt Nöll. Siemens investiert 600 Mio. Euro in einen Campus „ Das eindrucksvollste und medienwirksamste Vo- tum für den Gründer-Hotspot an der Spree gab je- doch wenige Tage später Siemens ab. 600 Mio. will der Technologieriese in einen Innovationscampus auf historischem Industriegelände in Siemensstadt pum- pen. Besser geht’s nicht. Könnte man meinen. An He- rausforderungenmangelt es nämlich keinesfalls. „Die Personalplanung und -rekrutierung stellen die größ- te Hürde für Start-ups imRaumBerlin dar“, bilanziert eine imSeptember 2018 erschienene Studie des Bera- tungsunternehmens PwC. Größte Hemmnisse: zu ho- he Gehaltsforderungen und Fachkräftemangel. „Es ist vor allem schwierig, nicht-europäische Fachkräfte in die Stadt zu holen“, sagt Oliver Schimek, Geschäfts- führer des Fintechs CrossLend. Laut Berlin Startup Monitor kritisiert die Hälfte der Jungunternehmen bü- rokratische Hürden vor allem für ausländische Mitar- beiter. Immerhin kommt bei ihnen jeder zweite Be- schäftigte aus demAusland, so auch bei CrossLend. » 9000 Start-ups mit insge- samt rund 100.000 Mitarbeitern zählt Berlin. Ein Großteil von ihnen – mehr als drei Viertel – ist in der Digitalwirtschaft tätig . FOTO: GETTY IMAGES/ERHUI1979 euenMitarbeitern empfiehlt Frank Pa- wlitschek gern einen kleinen Ausflug mit demElektroauto zumGendarmen- markt. Dort sitzt der Verband der Au- tomobilindustrie, und ausgerechnet vor dessen Haustür hat der Chef von Ubitricity eine innovative E-Tankstelle installiert – platzsparend in einem Laternenmast. Kein Wunder, dass sich jedes Mal eine Traube staunender Passanten bildet, sobald der Fahrer den Ökostrom aus der Later- ne zapft. Ein Selfie ist das vielen allemal wert. Noch hat dieser Schnappschuss Seltenheitswert. Doch von 2019 an wird das Tech-Start-up nach langem Ringen umGenehmigungen und Finanzierungen auch in der Hauptstadt durchstarten können und imRahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ bis zu 1.000 Lade- punkte in Laternen sowie ebenso viele in den Tief- garagen von Immobilien einbauen. Gute Nachrichten für den Standort „Wir bieten eine Technologie an, die es den Autofah- rern erlaubt, so günstig und effizient wie möglich im öffentlichen Raum zu laden und unkompliziert mit ih- rem Stromversorger abzurechnen“, sagt Pawlitschek. „Mit unseren Ladepunkten wird Parkzeit zur Lade- zeit.“ Für den CEO der Ubitricity Gesellschaft für ver- teilte Energiesysteme mbH ist der Start in Berlin al- N 20 berliner wirtschaft 01 / 2019 Die Voraussetzun- gen für Gründer in Berlin sind generell gut – aber es gibt auch Hemmnisse schwerpunkt / Start-ups
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